Ich habe unfassbar lange gebraucht, um diesen Text zu schreiben. Die Überwindung und Widerstände, die ich immer noch verspüre, sind ein Zeichen meines Körpers, dass ich noch nicht fein, noch nicht in der radikalen Akzeptanz bin, die es benötigt, um die Reise ohne Stigmatisierung fortzuführen. Aber DAMIT bin ich absolut fein und das ist der Anfang!
Meine Yogalehrerinnen-Ausbildung wollte ich gar nicht absolvieren. Ich hatte gerade meinen Prüfungskurs zur Achtsamkeitstrainerin angemeldet und war froh Räume zu haben, in denen ich teilweise komplett schmerzfrei sein konnte und sah das als tiefes Wunder an (verwirrt? Dann lies vielleicht erst meinen Weg zur Achtsamkeit ;)). Leichtes Krafttraining war möglich, tanzen nicht und deswegen schrie auch alles in mir NEIN, als Ashwani Bhanot mich erstmals salopp fragte, ob ich nicht die Yogalehrer*innen-Ausbildung (YTT) bei ihm absolvieren wollen würde. Durch die Nutzung seiner Räumlichkeiten für meinen 10-Wochen-Achtsamkeitskurs, sah ich Ashwani immer wieder, führte viele Gespräche mit ihm und am Ende meiner 10-Wochen, bat er mich um einen Termin für ein Treffen:
Er wollte mich als Yogaschülerin!
Die Worte die er sagte, vor allem zu meinen Widerständen, Ängsten und meiner Annahme, mit einem chronischen Schmerzsyndrom kein Yoga machen zu können (weil ich eine Instagram-Bubble vor Augen hatte, auf dessen Fotos durchtrainierte Frauen in knapper Kleidung auf Bali Kopfstand machten), trafen mich ins Herz und eine Leidenschaft entflammte in meinem Körper, die ich zuvor das letzte Mal nach meiner ersten Modern-Dance-Tanzstunde verspürt hatte.
Ich konnte nicht Wissen, dass dieses Gefühl meine ersten Kontakte zur tiefen Körperweisheit sein sollten, die ich danach jahrelang vertiefen und trainieren würde, um mich den Herausforderungen meiner mentalen Gesundheit zu öffnen.
Die 200 h bei Ashwani Bhanot, seiner Schwester Anjuly Rudolph & den anderen Coteachers haben mein komplettes Leben verändert:
Während der Shatkarmas, der yogischen inneren Reinigung, wurde ein tief verkapseltes Trauma aus meiner Kindheit aufgebrochen. Zuerst dachte ich, ich wäre verrückt geworden. Ich konnte mich nicht mehr an die Situationen erinnern, die auf einmal so bildlich und heftig zurück in mein Gedächtnis explodierten. In Rücksprache mit meiner Familie wurde aber klar:
Jedes dieser Einnerungsbilder war wahrhaftig so geschehen, mein Geist hatte diese Momente jedoch abgekapselt, weil mein kindliches Ich noch nicht bereit war, mit dem Schmerz, den Emotionen und der Hilflosigkeit umzugehen, die ich damals erlebte und dementsprechend auf die Kompensation der Gefühle irgendwann mit schweren depressiven Phasen antwortete.
Nun hatte ich aber Yoga und einen sicheren Kreis durch die YTC an meiner Seite. Das Vertrauen in meinen Körper und vor allem in mich selbst wurden so sehr gestärkt, dass mein Geist entschied: du bist jetzt bereit dir diese schmerzhafte Seite deines Lebens anzusehen, die Emotionen zu fühlen, die du all die Jahre weggedrückt hast & über die alten Kompensationsmuster hinwegzuwachsen.
Innerhalb der 200h fühlte ich mich kraftvoll, mutig und für alles bereit. Praktizierte intensiv alle Yamas & Niyamas, eine starke Asanapraxis, Meditation und regelmäßig die Shatkarmas, um alles JETZT nach oben zu reißen, was ich all die Jahre nicht sehen durfte.
Ob das zu viel war?
Denn irgendwann endete die YTC. Leere, Dunkelheit und Verzweiflung brachen über mir zusammen. Mit einer Heftigkeit, die ich meinte nicht überleben zu können, war ich bei meiner ersten depressiven Episode, die über 1 1/2 Monate dauerte, gegenwärtig und dachte jeden Tag sterben zu müssen. Und dennoch war mir dieser alptraumhafte Lebensalltag, die Fressattacken, um die Leere irgendwie zu füllen, die Panikattacke und die darauffolgende antriebslose Schwere seit meinem zwölften Lebensjahr bekannt wie ein alter, nichterwünschter Freund.
Das Bewusstsein der Erfahrungen meiner Zeit bei Ashwani, im Kern absolut und unwiderruflich heil, voller Leichtigkeit und Licht zu sein, gab mir die Kraft mich nach Außen zu öffnen und durch die Großartigkeit und das Einflussreichtums meines Hausarztes, bekam ich sofort einen Therapieplatz.
Die Diagnose nach den ersten Sitzungen:
Wenn man tiefer in die yogische Lebenshaltung eintaucht (Achtsamkeit ist nur ein kleiner Teil des großen Ganzen, wie ich feststellen durfte), lernt man das Vertrauen kennen, das die Reise des eigenen Lebens genau so richtig ist, wie sie sich gestaltet. Wir haben die Wahl im Leid zu versinken, die Ohnmacht zu leben und uns in der Opferrolle einzukuscheln.
Oder das Bewusstsein für den Moment zu öffnen und aus dem Schmerz heraus zu wachsen. Ich erlaube mir diese Postkartenweisheit WEIL ich durch all das Selbst durchdurfte und weiß, dass es wahrhaftig stimmt und wir IMMER die Wahl haben uns für die Freiheit des Momentes zu entscheiden. Mein Weg war es nun, mich mit der Depression anzufreunden, die mich bis heute regelmäßig besucht und niederlegt. Anstatt panisch und kraftraubend gegen sie anzukämpfen, habe ich durch meine Yogapraxis (und hier meine ich den weiten Begriff des Yogas, nicht allein die Asanapraxis, die hier im Westen so klar bekannt ist) gelernt, meinem Körper zuzuhören, die Trigger zu erforschen und mit Hilfe von Therapeut*innen neue Wege einzuschlagen.
Inzwischen bin ich in jeder depressiven Phase anwesend und das ist unfassbar schmerzhaft und furchtbar. Viel einfacher und angenehmer war es, sich wegzubeamen durch Alkohol, Sex, Essen, Konsum …, diese Wege führen aber nicht zur Heilung. Genauso wenig die Erwartung Geheilt sein zu müssen, um sein zu dürfen.
Das chronische Schmerzsyndrom verabschiedete sich, als ich akzeptieren lernte und es als Freund mit in mein Leben einlud. Ich glaube fest daran, dass mir diese erste Probephase gesendet wurde, um mich für diese noch härtere Reise vorzubereiten. Ich schöpfe so viel Kraft und Mut aus dieser Zeit und kann kaum glauben, dass ich inzwischen frei und fast selbstverständlich über all das reden kann, ja sogar für mich entschieden habe, dass ich meine Reise über Yoga weitergeben möchte. Den Weg für andere durch meine Erfahrungen erleichtern zu können, damit jeder meiner Schritte, die so sehr geschmerzt haben, nicht umsonst gewesen sind, erfüllt mich mit wärmender Dankbarkeit. Jede meiner Yogastunden spiegeln meine innere Reise wieder und im nächsten Jahr mache ich mich auf den Weg eine (psycho)therapeutische und traumasepezielle Yogalehrerin zu werden.
Nicht jede Depression findet die Erlösung im Yoga. Die eigene Körperweisheit zu stärken, ist aber nach meinen Erfahrungen essentiell, um sich wieder in sich selbst Zuhause zu fühlen. Raus aus dem Gefühl eines Gefängnisses, rein in das Verständnis, warum der Körper sich gerade so anfühlen mag, wie er es tut.
Eine Heilerin sagte einmal zu mir:“ Die Depression ist ein großes Geschenk - sie erlaubt dir die Zeit, dass zu fühlen, was du sonst unterdrücken würdest. Unterdrückte Gefühle führen zu Krankheit und ein unglückliches Leben. Dein Körper entscheidet jetzt schon, nicht in ein paar Jahren, dass du dieses Los nicht ziehen sollst.“
Das ist radikale Akzeptanz.
Davon bin ich noch weit entfernt. Depression als Geschenk anzusehen, ist für mich noch undenkbar. Ich kann die dunklen Phasen aber schon von der Krankheit disidentifizieren und habe im Yoga eine Lebenskraft gefunden, die immer in mir ist, wenn ich still werde und lausche. Die paar Quadratmeter meiner Yogamatte sind zu meinem puren Überlebenswillen geworden und ich fühle, dass jeder Schritt in diese Richtung die Sicht auf meine wellenförmigen Gemütszustände verändern werden.
Ich kann nicht aussprechen wie unglaublich dankbar ich bin, dass Ashwani Bhanot seine Überredungskünste durch tiefe Worte der Weisheit anwandte und mich zur Yogalehrerin ausbildete.
Kaivalya - Freiheit ist für mich mein tiefster Lebenswert.
Es bedeutet für mich den Weg, raus aus den anerzogenen Mustern, die von Außen wie ein fester Gürtel um mich gelegt wurden, tief hinein in mein innerstes, mein wahres Ich, welches ich nur erkennen kann, wenn ich der Definition des Yoga folge:
Chitta vritti nirodah -
die Gedankenwellen zur Ruhe zu bringen.
Ich habe das Gefühl, das genau dieser Weg, der Weg zu dem Leben was für mich bestimmt ist, ein Weg zu Heilung, Glück und Zufriedenheit ist. So fühlt es sich zumindest für mich in diesem Moment, wo ich diese Zeilen schreibe, an!